Didaktik - Lernbegriff
Aktueller Lernbegriff
Didaktik ist die Lehre vom Lehren, besser gesagt: die Lehre von der Unterstützung des Lernens. Didaktik kann Lerntheorien nicht außer acht lassen, aber sie lässt sich auch nicht aus Lerntheorien ableiten d.h.
deduzieren. Didaktik hat die Zusammensetzung der Gruppe, Lerngruppe, sachlogische Strukturen, Prüfungsanforderungen u.ä. zu berücksichtigen hat.
Der erweiterte Lernbegriff nimmt in der Didaktik neben fachinhaltlichen Lernzielen den
ganzen Menschen, unterschiedliche Lerntypen, verschiedene Sinne sowie weitere,
sowohl fächerverbindende wie auch allgemein bildende Lernfelder (fachliches Lernen, methodisch-strategisches Lernen, sozial-kommunikatives Lernen, selbstbeurteilendes Lernen) in den Blick.
Traditionelle Lehre als Vermittlung von richtigem Wissen, als Belehrung und als normative Erziehung, sind mit dem
Konstruktivismus nicht kompatibel. Dadurch wird ein Vortrag oder ein Lehrgespräch
jedoch nicht sinnlos. Lehre soll anregen, zum Selberdenken animieren, interessante „kognitive Konflikte“ inszenieren, konstruktive
Pertubationen fördern. Diese Aufgabe kann ein teilnehmerorientierter Vortrag u.U. sogar besser erfüllen als eine langweilige Kleingruppenarbeit. Der Vortrag sollte allerdings eine Vielfalt von Wirklichkeitskonstrukten berücksichtigen und ermöglichen, und er sollte eine animatorische Funktion haben. Generell aber gilt, dass
Didaktik weniger als Lehre, sondern als umfassender als „Inszenierung“ konstruktiver Lernumgebungen und Lernkulturen zu verstehen ist. Häufig wirken Lehrende durch ihre Person, und nicht durch Appelle oder Aufklärungen.
Berücksichtigt der Mathematikunterricht in der Praxis die Befunde zum aktuellen Lernbegriff, so bedeutet das für die Planung und Gestaltung von Unterricht:
- Wenn der Mathematikunterricht als oberste Zielsetzung verfolgt, anwendbares und intelligentes Wissen zu entwickeln, das zur Lösung von Problemsituationen abrufbar und nützlich ist,
so ist Lernen von Problemsituationen ausgehend hilfreich.
- Wenn mathematisches Wissen seine Bedeutung dadurch erhält, dass es zur Lösung und Bewältigung von Problemstellungen beiträgt, so
orientiert es sich an subjektiven Erfahrungsbereichen, die sinnstiftend zur Problemlösung eingesetzt
werden können.
- Wenn im Mittelpunkt des Mathematikunterrichts solche Lernsituationen stehen, die - weil mathematisch substanziell, also nicht eindeutig oder lösbar, sondern problembehaftet - eigenständige und individuell unterschiedliche Konstruktionen des Wissensnetzes fördern, so geht es nicht mehr um die isolierte Vermittlung einzelner mathematischer Wissensbausteine, sondern um ein
Lernen in Zusammenhängen.
- Wenn diese Lernprozesse als Eigenkonstruktionen verstanden werden, die individuell unterschiedlich ablaufen und nur bedingt steuer- und planbar sind, so sind
Fehler keine zu vermeidenden falschen Steine oder Lücken in der Mauer, sondern vielsagender Ausdruck variierenden Konstruktionen.
- Wenn der Mathematikunterricht diese Konstruktionen fordert und fördert, tritt die Ergebnisorientierung und die Vermittlung von Standardlösungen und Rezepten in den Hintergrund, während der
aktive Prozess der Aneignung und des Verstehens mit allen Irrwegen und Umwegen hervorgehoben wird.
Literatur:
Bendler, Alfred [1995]: Leistungsbeurteilung in offenen Unterrichtsformen - Qualität ohne Lernkontrolle?,
In: Pädagogik 3(1995), S.10-13
Jank, Werner; Meyer, Hilbert [2002]: Didaktische Modelle Cornelsen Scriptor
Lankes, E.-M. [1997]: Wissen aufbauen und verstehen. In: Grundschule 10/1997, S. 10
Vogelsberger, Kurt [1995]: Leistungsmessung zwischen Anspruch und Wirklichkeit,
In: Pädagogik 3(1995), S.6-9